Artikel: Nachhaltigkeit

Nachhaltigkeit
Aus meiner Erfahrung in Jaipur habe ich gelernt, dass Kultur, Handwerk und lokale Ressourcen eine große Rolle spielen. Ich setze mich vollkommen für faire Löhne, angemessene Arbeitszeiten, bezahlten Krankenstand und natürlich gegen Kinderarbeit ein.
Für mich ist Nachhaltigkeit nicht eindimensional. Es geht um viel mehr als nur ein Häkchen – sie verknüpft Entscheidungen rund um Fasern und Stoffe, Produktionsmethoden, Wasserverbrauch, Emissionen, Abfall, kulturellen Kontext und natürlich ethische Praktiken.
In den Gesprächen mit Fabriken, Druckern und Kunsthandwerkern ist mir eines klar geworden: Ethik lässt sich nicht auf eine einfache Checkliste reduzieren. Standards variieren, und was sich in einem Umfeld „ethisch“ anfühlt, kann in einem anderen ganz anders aussehen. Es ist ein vielschichtiges, differenziertes Thema.
Die Anforderungen einer großen Textilfabrik passen nicht immer zu den Gepflogenheiten einer kleinen Druckerei oder eines Familienbetriebs im ländlichen Rajasthan. Der Rhythmus des Dorflebens und die Bedürfnisse der Kunsthandwerker sind anders. So richten sich beispielsweise Feiertage oft nach lokalen Festen und Traditionen und nicht nach starren Urlaubsplänen. Die Arbeit im Handwerkssektor Rajasthans erfordert Flexibilität und Verständnis für den lokalen Kontext, anstatt einheitliche Standards anzuwenden.
Ich arbeite mit verschiedenen Partnern in Jaipur zusammen, von kleinen Handwerksbetrieben bis hin zu größeren zertifizierten Fabriken. Ich behaupte nicht, dass eine Zertifizierung größerer Unternehmen in vielen Fällen nicht wichtig oder vorteilhaft ist, aber für kleinere, von Handwerkern geführte Fabriken können die hohen Kosten schwer zu rechtfertigen sein.
Ich habe das Glück, immer wieder Zeit in dem Land zu verbringen, in dem meine Produkte hergestellt werden, was es mir ermöglicht, die Unternehmen mindestens ein- bis zweimal pro Woche zu besuchen, wenn ich in Jaipur bin. Dort sehe ich aus erster Hand, wie Mitarbeiter behandelt werden und wie viele Stunden sie arbeiten.
Dies wirft eine wichtige Frage auf: Soll ich meine Partnerschaften auf vollständig zertifizierte Fabriken beschränken, die bestimmte westliche Standards erfüllen? Würde das nicht kleinere Werkstätten ausschließen, die sich wirklich vorbildlich verhalten? Und was bedeutet dies für das Kunsthandwerk, wo die Anwendung westlicher ethischer Standards möglicherweise nicht mit der lokalen Kultur und Praxis übereinstimmt?
Nachhaltigkeit lässt sich nicht über Nacht erreichen. Sie ist komplex und erfordert ständiges Lernen, Forschen und Austausch. Sie hat viele Facetten, sowohl sozial als auch ökologisch, und erfordert ständige Problemlösungen. Ich glaube jedoch, dass wir sie alle unbedingt in unseren Alltag integrieren müssen, damit sie zu einer alltäglichen Konstante wird.

